
A.3

Der kriegsgefangene französische Künstler stellt auf dramatische Weise die Situation und das Empfinden seiner Kameraden hinter Gittern dar.
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; BIL Bertrand 15
Grundbedürfnisse
Kampf ums Überleben oder gut versorgt?
Weniger bei der Unterbringung als vielmehr bei der Verpflegung, der Ausstattung mit Kleidung oder der medizinischen Versorgung zeigte sich die unterschiedliche Behandlung der Gefangenengruppen. Während Briten und Amerikaner gut versorgt waren, bedeutete die Gefangenschaft für die italienischen und die sowjetischen Soldaten einen täglichen Kampf ums Überleben.
A.3.1

Teilweise wurden die Baracken wie hier mit Fertigelementen errichtet.
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb TB-Wachsoldat
DIE UNTERBRINGUNG
Einfache Baracken und Stockbetten
Erst nach der Registrierung und Entlausung kam ein Gefangener ins Hauptlager. Einfache Baracken in Leichtbauweise dienten der Unterbringung. Mittig befanden sich ein kleiner Behelfswaschraum und eine Notküche, die die Baracken in zwei sogenannte Stuben teilten. Ihre Einrichtung war einfach. In den Stuben waren immer vier dreistöckige Betten zu Blöcken zusammengestellt. Zusätzlich standen einige einfache Bänke und Tische zur Verfügung. Schränke gab es dagegen nicht. Zu mehreren Baracken gehörte jeweils ein Gebäude mit Plumpsklos und Waschgelegenheiten.

gut zu erkennen ist die einfache, aber effiziente Bauausführung
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb TB-Wachsoldat
Ich öffne ein Auge und sehe den hässlichen Raum
im trüben, kalten Zwielicht des frühen Morgens, trostlos, schmutzig und farblos.
Robert Royden Briggs, britischer Gefangener;
Tagebuch, abgerufen von www.moosburg. org am 06.02.2025
A.3.1

Bauplan Normbaracke
A.3.1

Textilfoto Betten
A.3.1
Tisch und Bank
A.3.1
Stellwand Kunst

R. Gerval
Unterhaltung in einer Baracke
A.3.2

StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Schmid Bd. 1
Verpflegung
Satt oder hungrig – die Verpflegung hing von der Nationalität ab
Bei der Verpflegung der Gefangenen ließ sich die deutsche Führung über wiegend von Nützlichkeitserwägungen leiten. Die Rationen sollten ausreichen, um die Arbeitsfähigkeit der Gefangenen zu erhalten. Gleichzeitig durfte die Ernährung aber nicht den Standard der deutschen Bevölkerung erreichen,
da das Regime ansonsten Unruhen befürchtet hätte. Mit den zunehmenden Versorgungsschwierigkeiten im Kriegsverlauf wurden die Rationen gekürzt. Vor allem gegen Kriegsende standen allerdings auch diese gekürzten Rationen oft nicht mehr vollständig zur Verfügung.
Die Gefangenen wurden je nach Nationalität unterschiedlich ernährt. Briten und Amerikaner erhielten die beste Verpflegung. Die Rationen sowjetischer und italienischer Gefangener reichten dagegen vor allem vor dem Hintergrund der schlechten Arbeitsbedingungen an Qualität und Quantität zeitweise nicht mehr aus, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Zum Frühstück gab es zum Beispiel Ersatzkaffee aus Gerste oder auch Eicheln, mittags Pellkartoffeln oder eine dünne eintopfartige Suppe aus Kartoffeln, Kohl oder Steckrüben und abends wieder Pellkartoffeln sowie die tägliche Brotration. Fleisch, Fett, Käse, Marmelade oder Zucker erhielten die Gefangenen dagegen nur in geringer Menge. Insgesamt war die Ernährung einseitig, so bekamen die Gefangenen kaum frisches Gemüse oder Obst.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz schickte Lebensmittelpakete in großer Zahl in die deutschen Kriegsgefangenenlager. Diese Pakete verbesserten die Ernährung erheblich. Die Versorgung mit Rot-Kreuz- Paketen hing aber von der Nationalität der Gefangenen ab. Weitaus am besten waren die britischen und US-amerikanischen Gefangenen versorgt. Sowjetische Gefangene erhielten dagegen keine Rot-Kreuz-Pakete, da das Rote Kreuz nicht als Hilfsorganisation für sie zugelassen war.
Wo auch immer, außer im Stalag VII A, eine Gruppe von neunzehnjährigen Soldaten zusammen-kommt, dreht sich
das Gespräch ganz natürlich um Mädchen […]. Mädchen [wurden] erwähnt, aber das Hauptgesprächs thema war das Essen. Das Essen Zuhause und was unsere Mütter koch ten. Wir waren stän dig hungrig, und die Gespräche über Essen wurden nicht
von allen geschätzt, denn für einige war das Reden über Essen eine psychische Folter.
A.L. Lindsey, US-Gefangener; Lindsey
A.L., A Soda Jerk goes
to War, abgerufen von www.moosburg.org am 06.02.2025
A.3.2.1 Tisch-Vitrine Lagerküche, Transport, Verzehr
A.3.2.2 Hoch-Vitrine Teller Tasse Geräte
A.3.3

KLEIDUNG
Zerlumpt und geflickt – die Kleidung der Gefangenen
Die Bekleidungssituation der Gefangenen war meist schwierig. Sie behielten zunächst die Kleidung, die sie bei ihrer Gefangennahme getragen hatten. Diese war nicht immer den Witterungsverhältnissen in Bayern angepasst und verschliss während der Gefangenschaft. Teilweise kamen die Gefangenen nach langen Fronteinsätzen bereits in mehr oder weniger zerlumpten Uniformen im Lager an. Ersatzkleidung stand nicht in ausreichender Menge zur Verfügung.
Während westliche Gefangene über Kleidungspakete aus der Heimat Ersatz bekamen, stand dieser Weg den sowjetischen nicht und den italienischen kaum offen. Das Stalag richtete eine Schneiderei und eine Schusterei ein, um Kleidung und Schuhe auszubessern. Waschen mussten die Gefangenen ihre Kleidung selbst. Die Versorgung mit Waschmittel und Seife war jedoch nicht immer gesichert.
Die Kleidung, die wir trugen, war die gleiche, die wir bei
der Gefangennahme getragen hatten, und wir hatten sie bis auf die Socken nicht gewechselt, seit wir in Frankreich eingetroffen waren. Ich hatte nicht mehr gebadet, seit wir vor etwa dreißig Tagen Marseille verlassen hatten.
A.L. Lindsey, US-Gefangener, Lindsey A.L.; A Soda Jerk goes to War, abgerufen von www. moosburg.org am 06.02.2025
Gefangener Jugoslawe mit verschlissener Kleidung
Dies war keine Seltenheit und betraf alle Gefangenengruppen.
Foto: Privatarchiv Christine Fößmeier

A.3.4

StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Schmid Bd. 1
Medizinische Versorgung
Gute Betreuung oder auf niedrigem Niveau
Welche medizinische Versorgung ein Lagerinsasse erhielt, hing von seiner Nationalität ab. Während westliche Gefangene eine relativ gute medizinische Behandlung bekamen, blieben sowjetische Soldaten zunächst weitgehend unversorgt. Erst als auch sowjetische Kriegsgefangene dringend für den Arbeitseinsatz benötigt wurden, erhielten auch sie Zugang zu medizinischer Versorgung. Allerdings war der Standard hier auf das zum Erhalt der Arbeitskraft absolute Mindestmaß beschränkt.
Im Stalag gab es mehrere Krankenstationen. Dort kümmerten sich vor allem Sanitäter um leichtere Erkrankungen und Verletzungen. Ende 1940 existierten im Lager drei solcher Einrichtungen, die täglich 300 bis 600 Gefangene aufsuchten. Schwerere Fälle kamen in das Lagerlazarett. Dorthin brachte man auch diejenigen Gefangenen, die während des Arbeitseinsatzes außerhalb des Lagers schwerer erkrankt waren oder sich massiver verletzt hatten. Dieses Lazarett hatte zuletzt 1.700 Betten und verfügte über eine moderne Ausrüstung. Deutsche und gefangene Ärzte, Sanitäter und Hilfskräfte behandelten hier die Patienten. Im Stalag gab es außerdem eine zahnmedizinische Versorgung.
Im Bereich des Stalag VII A verstarben nach derzeitigem Kenntnisstand 1.891 Gefangene. Mindestens 1.065 davon stammten aus der Sowjetunion. Nicht alle kamen im Kriegsgefangenenlager zu Tode, sondern auch auf Arbeitseinsatz oder im Lazarett in Freising. Ab Herbst 1941 wurden die in Moosburg und Umgebung Verstorbenen auf dem Kriegsgefangenenfriedhof in Oberreit bei Moosburg begraben.
Für die Untersuchung von Gefangenen standen moderne medizinische Geräte zur Verfügung.
Foto: StadtA Moosburg – S-SON, Stalag; FOT-Alb Schmid Bd. 3

A.3.5
BORIS SAJZEV
Viel zu jung gestorben
Als Boris Sajzew am 24. April 1943 im Alter von 16 Jahren im Lazarett des Stalag VII A an Fleckfieber starb, war er fast noch ein Kind.

Geboren wurde der Junge am 3. Juni 1926 in Simferopol auf der Krim, wo er am 24. Oktober 1942 aus unbekannten Gründen als Schüler und damit Zivilist gefangen genommen wurde. Über das Kriegsgefangenen-lager Saporoschje (Stalag 348/Z) in der heutigen Ukraine kam er nach Moosburg ins Stalag VII A. Am 28. Februar 1943 erfolgte die Registrierung unter der Nummer 104822 mit dem Vermerk „gesund“.
Bereits am 16. April desselben Jahres erhielt er die ärztliche Diagnose Fleckfieber. Diese Krankheit wird durch Läuse übertragen. Diese stellten in allen Kriegsgefangenenlagern ein großes Problem dar, zumal die Maßnahmen zur Entlausung aufgrund der mit Ungeziefer befallenen Schlafstätten wenig Erfolg erzielten. Anfänglich leiden an Fleckfieber Erkrankte wie Sajzew an Schüttelfrost, zunehmend hohem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, manchmal sogar Bewusstseinsstörungen. Später kommt es zum typischen fleckigen Hautausschlag.
Bei Boris Sajzew begünstigte die Krankheit eine weitere Infektion durch andere Bakterien. Diese führte zu einer Myokarditis (Herzmuskelentzündung) mit Arrhythmie (Herzrhythmusstörung). Der Junge verstarb um 6 Uhr früh im Lagerkrankenhaus. Noch am Vormittag desselben Tages erfolgte seine Bestattung auf dem Kriegsgefangenenfriedhof Oberreit bei Thonstetten.
Gedenktafel mit dem Namen Boris Sajzew,
Kriegsgräberstätte Schwabstadl.
Die sterblichen Überreste der ursprünglich bei Moosburg begrabenen
sowjetischen Kriegsgefangenen wurden hierhin umgebettet.
Foto: Privat, 2025

