Kohlezeichnung von Jacques Bertrand, März 1941 Mitgefangene Kameraden schauen interessiert einem Künstler bei der Arbeit zu. StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; BIL Bertrand 22
Kohlezeichnung von Jacques Bertrand, März 1941
Mitgefangene Kameraden schauen interessiert einem Künstler bei der Arbeit zu.
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; BIL Bertrand 22

A.4 SOZIALES LEBEN

Einsam oder Gemeinsam?

Das „Gemeinsam“ war ein wesentlicher Faktor für das Leben der Gefangenen – Kameraden halfen sich durch schwierige Situationen, gemeinsame Aktivitäten im sportlichen oder kulturellen Bereich schufen Ablenkung und konnten ein Mittel der Selbstbehauptung sein. Und trotzdem waren die Gefangenen auch einsam – abgeschnitten von ihrer Familie und von ihrem alten Leben.

Kolorierte Tuschezeichnung von Jacques Bertrand, April 1941

Die Karikatur ist beschriftet mit
„et vous avez peur qu’il s’évade!“
(„und ihr fürchtet, er könnte entkommen!“)

Auf dem Bild ist der Kriegsgefangene („KG“) gefesselt von
Exil,
Einsamkeit,
Erschöpfung,
Unterernährung.

Im Gepäck trägt er „psychische Leiden“:
Einsamkeit,
Verzweiflung,
Zweifel,
Unverständnis,
Schikanen,
Sklaverei,
Verlassenheit.

Nur der kleine Vogel „ESPOIR“
(Hoffnung) gibt ihm Auftrieb.

StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; BIL Bertrand 17

Kolorierte Tuschezeichnung von Jacques Bertrand, April 1941 Die Karikatur ist beschriftet mit „et vous avez peur qu’il s’évade!“ („und ihr fürchtet, er könnte entkommen!“) Auf dem Bild ist der Kriegsgefangene („KG“) gefesselt von Exil, Einsamkeit, Erschöpfung, Unterernährung. Im Gepäck trägt er „psychische Leiden“: Einsamkeit, Verzweiflung, Zweifel, Unverständnis, Schikanen, Sklaverei, Verlassenheit. Nur der kleine Vogel „ESPOIR“ (Hoffnung) gibt ihm Auftrieb. StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; BIL Bertrand 17

A.4.1

Den Gefangenen standen nur einfache Latrinenanlagen ohne jegliche Privatsphäre zur Verfügung. Dass sie sich beim Besuch der Latrinen offensichtlich sogar fotografieren lassen mussten, zeigt die Übergriffkeit, der sie ausgesetzt waren. StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Zeitler
Den Gefangenen standen nur einfache Latrinenanlagen ohne jegliche Privatsphäre zur Verfügung.
Dass sie sich beim Besuch der Latrinen offensichtlich sogar fotografieren lassen mussten, zeigt die Übergriffigkeit, der sie ausgesetzt waren.
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Zeitler

KEINE PRIVATSPHÄRE

Nicht einmal auf der Toilette allein

Der Alltag eines Lagerinsassen war geprägt von einem Verlust an Privatsphäre. Jeder befand sich ständig auf engstem Raum mit seinen Mitgefangenen. Es gab kaum Möglichkeiten zum Alleinesein. Dies führte immer wieder zu Reibereien und Streitigkeiten.

Konflikte unter den Gefangenen

Nach einigen Wochen wurde Lenny sehr anhänglich. Er wollte die ganze Zeit wissen, wo ich war. Deswegen begann ich, mich von ihm abzusondern. Das war eigentlich schlecht, denn ich mochte Lenny.

[…]

Es entwickelten sich auch andere persönliche Konflikte.

Es gab da einen großen Kerl […], mit dem ich überhaupt nicht zurechtkam. Ich explodierte schließlich eines Tages, weil
er die Verteilung des Essens verpfuschte. Ich forderte ihn zu einem Kampf heraus.

James Keeffe, US-Gefangener; Keeffe J., Two Gold Coins and
a Prayer, Fall City/Washington 2010, S. 310

Gruppen, die sich früher im Stalag Luft III in gemeinsamen Räumen aufgehalten hatten, blieben weitgehend zusammen […] um weiterhin gemeinsam kochen und essen zu können, aber auch für verschiedene Formen der emotionalen Unterstützung.

Quentin Richard Petersen,
US-Gefangener;
abgerufen von www.indianamilitary.org
am 5. Februar 2025

„La nouvelle feuille de vigne“ („Das neue Feigenblatt“), kolorierte Zeichnung eines unbekannten Künstlers Nur Erkennungsmarken verdecken hier den Intimbereich der „KG“s (Kriegsgefangenen) – ein Ausdruck für deren verloren-gegangene Privatsphäre. StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; BIL 001

„La nouvelle feuille de vigne“ („Das neue Feigenblatt“),
Kolorierte Zeichnung eines unbekannten Künstlers.
Nur Erkennungsmarken verdecken hier den Intimbereich der
„KG“s (Kriegsgefangenen) – ein Ausdruck für deren verlorengegangene Privatsphäre.
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; BIL 001

A.4.2

Das Lagerpostamt, 1941 Beispielsweise im November 1940 wurden im Stalag 250.000 Briefe weitergeleitet. StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Schmid Bd. 1
Das Lagerpostamt, 1941
Beispielsweise im November 1940 wurden im Stalag 250.000 Briefe weitergeleitet.
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Schmid Bd. 1

KONTAKT NACH HAUSE

Briefe und Pakete

Der Postverkehr war für die Gefangenen von enormer Wichtigkeit, stellten Briefe doch die einzige Möglichkeit dar, den Kontakt mit der Heimat, mit der Familie und in gewisser Weise mit ihrem alten Leben aufrechtzuerhalten.

Die Zahl der Briefe und Postkarten, die ein Gefangener versenden konnte, war begrenzt. Diese Begrenzung fiel je nach Nationalität unterschiedlich aus. Sowjetische Gefangene durften pro Monat entweder einen Brief oder eine Karte schreiben, aber nicht in die unbesetzten Gebiete der Sowjetunion. Das bedeutet, dass es für die sowjetischen Gefangenen tatsächlich keine Möglichkeit gab, mit ihren Angehörigen in den nicht von deutschen Truppen besetzten Gebieten der Sowjetunion Kontakt zu halten.

Für die Gefangenen war wichtig, dass sie sich auch Pakete schicken lassen konnten. Hier gab es neben den Paketen von Angehörigen die so genannten „Liebesgabenpakete“ privater Hilfsorganisationen, wie zum Beispiel die Lebensmittelpakete des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Andere Hilfsorganisationen schickten Spiele, Bücher oder Bastelmaterialien.

Aus den abgestuften Möglichkeiten (viele, wenige oder gar keine Pakete zu erhalten), entwickelte sich eine Rangordnung im Lager. Manche von denjenigen, die häufig Pakete bekamen und über viele Nahrungsmittel und Zigaretten verfügten, übertrugen unbeliebte Arbeiten auf andere. So ließen US-amerikanische Lagerinsassen ihre Latrinen teilweise von sowjetischen Gefangenen reinigen, denen sie dafür Lebensmittel aus Paketen gaben. Außerdem entwickelte sich ein Schwarzmarkt unter anderem mit den deutschen Wachen und Zivilisten, da im Verlauf des Krieges Kaffee oder Schokolade in Deutschland kaum mehr erhältlich und deshalb sehr begehrt waren.

Anlieferung von Paketen ins Stalag, 1941 Beispielsweise im November 1940 wurden 76.000 Pakete abgefertigt. StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Schmid Bd. 1
Anlieferung von Paketen ins Stalag, 1941
Beispielsweise im November 1940 wurden
76.000 Pakete abgefertigt.
StadtA Moosburg: S-SON, Stalag; FOT-Alb Schmid Bd. 1

Diese Woche habe ich den Brief vom 22. Dezember und das Paket vom 30. Dezember erhalten. Diesmal hat nichts gefehlt! Und heute die Bohnen mit Würstchen, schön rot […] Ich kann mich gewiss nicht beklagen, ihr verwöhnt mich wirklich.

Jean-Baptiste Hirirart-Urruty, französischer Gefangener; Brief vom 23. Januar 1944 an seine Familie, Archiv Verein Stalag Moosburg e.V.

A.4.3 SPIEL, SPORT UND BILDUNG

A.4.4 KULTURELLE BEGEGNUNG

A.4.5 Alfred Gaspart, Antoniucci Volti